Inhaltsverzeichnis
1.1 Chemie 4.0: Eine digitale Strategie, vier Ziele
1.2 Eine eigene Digital-Einheit im Unternehmen lohnt sich
1.3 Die Digitalisierung eines Chemieunternehmens ist schwer in Umsatz zu berechnen
2. IT-Konzerne, Startups & Traditionsunternehmen: Erfolgreiche Synergien oder Bermudadreieck für die Chemie?
2.1 Von der Zielsetzung zu den ersten digitalen Schritten
2.2 Die Zusammenarbei mit Startups zahlt sich aus
2.3 In der Digitalisierung liegt enorm viel Kraft
2.4 Wie also am besten Chemie 4.0 angehen?
Eine Stunde lang widmete sich das Digital Forum der Industrie der Digitalisierung in der Chemieindustrie. Dabei fielen Begriffe wie Chemie 4.0 oder Digitization. Was darunter zu verstehen ist, findet ihr in diesem Artikel. Außerdem zeigen wir, wie Unternehmen wie Evonik oder Marabu bei der Digitalisierung vorgehen, wie eine erfolgreiche digitale Strategie in der Chemieindustrie aussehen kann und worauf es am Ende ankommt. Wir haben für euch die spannendsten Infos vom Digital[IN] zusammengefasst.
1. Zeiten des Wandels – Die Rolle von Innovation und digitaler Führung
In der Keynote „Zeiten des Wandels – Die Rolle von Innovation und digitaler Führung“ betrachtete Henrik Hahn, wie digital die Chemie-Branche in Deutschland ist. Am Beispiel von Evonik zeigte er die Fortschritte der vergangenen Jahre auf. Evonik ist ein noch recht junges Unternehmen, welches 2007 gegründet wurde, zählt aber heute bereits zu den führenden der Chemie-Branche in Deutschland – unter anderem, weil der Konzern in Digitalisierung investiert. Evonik fördert mobiles Arbeiten, agiles Handeln und zielt damit auf Effizienzsteigerung ein, doch das allein zeichnet noch keine erfolgreiche digitale Strategie aus. Chemie 4.0 ist für Evonik ein zentraler Begriff, wenn es um digitale Strategien geht.
Chemie 4.0: Eine digitale Strategie, vier Ziele
Im Kern der Digitalisierung geht es 2020 um Interaktion, Vernetzung und intelligente Nutzung von Daten. Mit ihrer Digitalisierungsstrategie verfolgt Evonik vier zentrale Ziele: 1) Effizienzsteigerung in der Produktion und entlang der ganzen Lieferkette. 2) Die Verbesserung des Kunden- und Nutzerlebnisses 3) Kognitive Lösungen durch den Einsatz von KI. Und 4) Der Aus- und Aufbau digitaler Skills und Kompetenzen der MitarbeiterInnen.
Die Ziele stehen, doch wie wird man nun ein digitales Chemie-Unternehmen? Laut Henrik Hahn sind drei Pfade zum digitalen Unternehmen denkbar bzw. naheliegend. Entweder man fängt von ganz oben in der Unternehmensstruktur an, mit der Gründung einer eigenen Stabseinheit auf Konzernebene und einer zentralen Strategie. Für diesen Weg hat sich Evonik entschieden. Oder man setzt eine eigene Geschäftseinheit ein. Dies folgte bei Evonik im zweiten Schritt. Die dritte Möglichkeit sei, digitalen Aktivitäten in Geschäfts- und Funktionseinheiten einzubetten, was auch das langfristige Ziel sei.
Eine eigene Digital-Einheit im Unternehmen lohnt sich
Eine gute digitale Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass am Ende von der zentralen Strategie aus Aktivitäten heruntergebrochen werden können, welche sich in den verschiedenen Abteilungen einfach integrieren lassen. Folgt man Evonik, so ist es für Unternehmen sinnvoll, eine eigene Digital-Einheit zu gründen und früh eine zentrale Strategie zur verfolgen. Wie in einem Organigramm werden die Aktivitäten über das gesamte Unternehmen abgeleitet, mit einer zentralen Leitfigur an der Spitze stehend.
Ansatzpunkte für digitales Handeln finden sich entlang der gesamten Wertschöpfung (ECommerce, Kundenportale, Transportmanagement, IOT-Anwendungen und viele mehr). Es ist also nicht verwunderlich, wenn Unternehmen erst mal in Ohnmacht fallen, wenn es heißt „Lass uns jetzt digitalisieren“. Die Möglichkeiten sind unendlich. Umso nachhaltiger ist es, eine eigene Einheit zur Digitalisierung zu gründen oder gute Partner zu finden.
Die Digitalisierung eines Chemieunternehmens ist schwer in Umsatz zu berechnen
Unternehmen bremsen sich bei der Digitalisierung leider nur zu oft selbst, denn nicht selten steht der betriebswirtschaftliche Effekt an erster Stelle. Dieser ist aber hierbei schwer zu berechnen. Henrik Hahn rät dazu, bei der Digitalisierung nicht als erstes auf die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen zu achten, denn digitaler Wert in Form einer klassischen Rendite auszuweisen, ist schwierig. Abwarten ist aber auch keine Option. Digitalisierung ist ein dynamischer Vorgang, der sich nicht immer direkt in Umsatz auszahlen lässt. Für ein erfolgreiches Chemie-Unternehmen gehören Digitalisierung und Innovation zusammen und somit auch der Mut, neue Wege zu gehen.
2. IT-Konzerne, Startups & Traditionsunternehmen: Erfolgreiche Synergien oder Bermudadreieck für die Chemie?
Innovative Lösungen findet man insbesondere in der Startup-Szene. Um die Zusammenarbeit von Startups und Corporates ging es in der nachfolgenden Paneldiskussion: „IT-Konzerne, Startups & Traditionsunternehmen: Erfolgreiche Synergien oder Bermudadreieck für die Chemie?“ mit Marco Majer von 5-HT Digital Hub for Chemistry & Health, Sebastian Brenner von CheMondis, Daniel Gandner von Marabu und Pedro Ahlers von SAP. Zu Beginn wurde die Frage gestellt, was überhaupt mit Digitalisierung gemeint ist, denn hier gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte. Die Integration eines Chatbots auf einer Website ist beispielsweise nicht immer gleichzusetzen mit Digitalisierung. Die Zielsetzung, warum digitale Tools eingesetzt werden, ist entscheidend. Wird ein Chatbot zur Leadgenerierung eingesetzt, dann handelt es sich um ein Tool der Digitalisierung.
Nur zu oft folgen Unternehmen dem Trugschluss, dass IT günstig sein muss und Digitalisierung Gewinn erwirtschaften muss. So einfach ist es nicht, wie Henrik Hahn bereits in seiner Keynote anmerkte. Auch unsere Paneldiskussionsteilnehmer werden immer wieder mit dieser Annahme konfrontiert. Sie erklären, dass die intrinsische Motivation von höherer Bedeutung sei, um nachhaltig zu digitalisieren. Es ist ohne Zweifel schwer, Digitalisierung in unmittelbarer Umsatzsteigerung zu begründen.
Von der Zielsetzung zu den ersten digitalen Schritten
Daniel Gandner erläutert anhand von Marabu die Vorgehensweise bei der Digitalisierung des Unternehmens und unterstreicht, dass Marabu dabei noch in den Kinderschuhen steckt. Digitalisierung ist nun mal auch kein Kinderspiel, sondern verlangt Zeit, Ausdauer und letztlich Investment von ganz oben. Es ist ein langer Weg bis von Chemie 4.0 im Unternehmen die Rede sein kann. Also zurück zum Anfang. Marabu verfolgt zwei Ziele: Zum einen die Digitalisierung in der Produktion und zum anderen die Digitalisierung im Verkauf. Das übergeordnete Ziel ist dabei potenzielle Kunden überall auf der Welt zu erreichen und dafür benötigt es die Digitalisierung als Hilfsmittel. Um das zu erreichen, haben die Akteure von Marabu zuerst Probleme identifiziert, um auf Basis dessen nach Lösungen zu suchen.
Marabu ist nun im Austausch mit FoxBase mit dem Ziel den Verkauf zu globalisieren. Dafür müssen heute digitale Tools im Unternehmen eingeführt werden. Kunden haben heute das Bedürfnis, sich selbst zu informieren sowie eigenständig Produkte zu finden. Der Digital Product Selector von FoxBase setzt bei diesem Bedürfnis an und bietet dem Kunden die Möglichkeit, in nur wenigen Schritten das passende Produkt zu finden und zu kaufen. Das Identifizieren von Problemen ist ein wichtiger Schritt, um gezielt passende und innovative Lösungen in der Startup-Welt zu finden. Doch müssen es unbedingt Startups sein? Nein, aber Startups bieten im Vergleich zu den großen Unternehmen, die ebenfalls vielversprechende Lösungen anbieten, drei wesentliche Vorteile: Sie sind agil, bieten Lösungen, die so noch keiner hat und haben wirkliches Interesse an der Zusammenarbeit, so Daniel Gandner.
Die Zusammenarbeit mit Startups zahlt sich aus
Viele Unternehmen sind sich allerdings im Gegensatz zu Marabu der eigentlichen Probleme, warum beispielsweise der Vertrieb plötzlich weniger Umsatz als gewohnt macht, noch nicht bewusst. Startup versuchen wiederum diese Unternehmen zu erreichen. Sebastian Brenner ist Managing Director in dem bereits sehr erfolgreichen Startup CheMondis. Er verfolgt den Ansatz: Digitale Vertriebskanäle entwickeln, welche die bestehenden ergänzt. Von besonderer Bedeutung sieht er heute den Omni-Channel-Ansatz.
Einer guten Digitalisierungsstrategie seien die internen Strukturen erst mal egal. Es gehe um verkaufen, aber auch um zuhören. Genauso wichtig sei es auch eine persönliche Bindung zwischen Unternehmen und Startup bei der Zusammenarbeit aufzubauen. Deswegen steht bei CheMondis der persönliche Kundenberater auch ganz weit oben. Ein Problem, was sich jedoch auch bei CheMondis bemerkbar macht, ist, dass Unternehmen schnell Erfolge sehen wollen. Digitalisierung hilft auf einer globalen Ebene sichtbarer zu werden und Daten sind wichtig, um nachhaltiger agieren zu können. Die Erfolge zahlen sich erst mit der Zeit aus, aber sie zahlen sich aus, betont Sebastian Brenner.
In der Digitalisierung liegt enorm viel Kraft
Wie lassen sich organisatorische Veränderungen also herbeiführen? Pedro Ahler ist sich da eines sicher: Es muss von oben bis unten gewollt sein. Unternehmer müssen finanzielle Mittel und Manpower investieren wollen. Digitalisierung muss Chefsache werden! Doch immer noch schrecken zu viele vor der Digitalisierung zurück, denn die Angst vor der völligen Kontrolle steht ihnen im Weg. Die Digitalisierung ist wesentlich komplexer zu betrachten und Dystopien wie wir sie aus George Orwells Roman 1984 kennen, sind nicht gleich Realität. Digitalisierung in der Chemieindustrie dient in erster Linie der Erleichterung von Arbeitsabläufen und der Effizienzsteigerung. Überwacht wird dabei niemand.
Um wieder auf die am Anfang gestellte Frage zurückzukommen, was eigentlich Digitalisierung heißt, nennt Pedro Ahlers die zwei englischen Begriffe für Digitalisierung. Erstens der Begriff „Digitalisation“, welcher auf der Tool-Ebene angesiedelt sei. Wenn von Digitalisation die Rede ist, dann seien also damit Tools gemeint, welche schnell und einfach nutzbar sind. Hingegen meine der Begriff „Digitization“ die Digitalisierung kompletter Geschäftsprozesse. Die meisten sprechen von Digitalisation. Wer als Unternehmen verstanden habe, welche Kraft in Digitalisierung liegt, im Sinne des Begriffs „Digitization, der sei der Konkurrenz um Meilen voraus, schließt Pedro Ahlers seine Begriffserläuterung ab.
Wie also am besten Chemie 4.0 angehen?
Als erstes stellen sich die zentralen Fragen, was das Problem ist, das gelöst werden soll und was erreicht werden soll. Die Customer Journey in der Chemieindustrie besteht heute zu 80 % aus Kommunikation und Konsum von Informationen und nur noch zu 20 % aus Sales. Deswegen ist in einer erfolgreichen digitalen Strategie ein wichtiger Bestandteil, den Self-Service weiter auszubauen, damit sich Kunden eigenständig informieren und helfen können. Startups haben hierfür extrem spannende und innovative Lösungen entwickelt. Der Austausch zwischen Chemieunternehmen und Startups lohnt sich allemal. Daneben ist es für Unternehmen wichtig, im World Wide Web gut gefunden zu werden. Die aus den digitalen Tools oder auch der Website gewonnenen Daten können zudem die Produktion nachhaltig verbessern, für eine bessere Preisgestaltung sorgen und die Effizienz steigern. Wer einen Kunden-Self-Service sicherstellt, der ist schon auf einem guten Weg Richtung Chemie 4.0.